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Ostsee Zeitung vom 04.07.2011

100 Blinde gaben Gas am Steuer

Mitglieder des Peenemünder Motorsport- und Verkehrsschulungsvereins setzten am Wochenende ihre landesweit einmalige Initiative fort und ließen Blinde und Sehbehinderte auf dem Flughafen ans Lenkrad.

„Kommt jetzt wieder die Rechtskurve?“, fragt Cornelia Weihs ihren Beifahrer. Mit schwarzer Brille auf der Nase und das Lenkrad des Skoda Oktavia so fest im Griff, dass die Knöchel weiß hervortreten, ist sie eine von etwa 100 Blinden und Sehschwachen, die aus der ganzen Bundesrepublik am vergangenen Sonnabend zum Aktionstag „Mehr Akzeptanz gegenüber Sehbehinderten und Blinden im Straßenverkehr“ nach Peenemünde gekommen ist. „Ja“ erwidert Frank Zirzow, „aber noch geht‘s 200 Meter geradeaus, erst dann müssen Sie wieder stark rechts einlenken. Jetzt noch 50 Meter, 20, 10 — und rein in die Kurve!“ Fahrlehrer Frank Zirzow greift helfend ins Lenkrad seines Fahrzeugs und ermöglicht so der 40-Jährigen aus Ueckermünde bei knapp Tempo 40 die richtige Spur auf der Trainingsstrecke des Peenemünder Motorsport- und Verkehrsschulungsvereins zu finden.

Während die völlig blinde Frau sich am einmaligen Gefühl erfreut, selbst Auto zu fahren, müssen Zirzow und seine Kollegen auf den Beifahrersitzen höllisch aufpassen. Der Mann von der Hanse-Fahrschule Greifswald wird gerade von einem Renault überholt. An dessen Steuer sitzt ein Mann mit gelber Binde am rechten Arm, auf der drei schwarze Punkte zu sehen sind.

Nur wenige Sekunden lang ist sein vergnügtes Gesicht zu erkennen, dann ist er vorbei und fädelt sich, vom Fahrlehrer geführt, wieder ein.

Es hat sich bei Sehbehinderten herumgesprochen, was hier in Peenemünde auf dem Flugplatz einmal im Jahr abgeht. Nun schon zum 9. Mal. Erblindete Frauen und Männer unterschiedlichen Alters stehen mit ihren Helfern bei Dauerregen in einer Schlange und warten auf das nächste Auto, das sie selbst fahren möchten — einmalig in MV. Diejenigen, die sich hier für die Behinderten einsetzen, ohne dafür einen Cent zu bekommen, sind neben den Organisatoren und Förderern dieses Aktionstages auch über 20 Fahrlehrer mit ihren Fahrzeugen aus der Region Ostvorpommern und Greifswald. Fahrlehrer Heiko Ehrke ist das vierte Jahr dabei. „Es ist nicht nur für die Behinderten ein Erlebnis, auch für mich“, sagt der Wolgaster. „Ich helfe ihnen gerne, dass sie mal ,den Kick‘ im Auto erleben können.

Sie bedanken sich danach 100mal und berühren mich dabei immer wieder.“ „Du triffst auch auf ergreifende Schicksale“, erzählt Klaus Dittrich von der gleichnamigen Fahrschule aus Lubmin. Ein junger Mann, so berichtet er, war nach einem selbst verschuldeten Unfall erblindet und wollte noch einmal ans Steuer. „Er fuhr selbstständig bis Tempo 100“, so Dittrich. „Ein anderer war von Beruf Brummi-Fahrer. Eine böse Krankheit ließ ihn nach und nach erblinden. Als die Ärzte ihm sagten, dass er nach drei bis vier Monaten gar nichts mehr sehen könne, wollte er noch einmal ans Steuer. Er hatte den innigsten Wunsch, sich an die Zeit zu erinnern, als er noch gesund war. Das sind Dinge die ans Herz gehen.“ Ermöglicht haben dies alles die Mitglieder des Peenemünder Motorsport- und Verkehrsschulungsvereins e.V. Ihr Ziel war am Sonnabend auch, gesunden Verkehrsteilnehmern ein Gespür für sehbehinderte Menschen zu geben.

 



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