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Usedom Kurier vom 25.07.2005

Im Blindflug über die Peenemünder Piste

 

Es ist wie in einem bösen Traum: Ich sitze am Steuer eines fahrenden Autos, aber ich kann nichts sehen. Um mich herum ist nur Dunkelheit. „Etwas nach rechts“, sagt eine Stimme neben mir. „Noch mehr, etwas mehr“, fordert sie eindringlicher, während ich am Rütteln spüre, dass das Auto die Betonpiste verlassen hat und übers Gras rumpelt. Eine unsichtbare Hand dreht das Lenkrad weiter nach rechts. Ah, da ist die Betonpiste wieder. „Gut so, jetzt schön geradeaus. Geradeaaaus!!!“ Der hat gut reden, denke ich; er sieht ja, wo wir hinfahren. Ich dagegen sehe Schwarz. Und ich bin froh, als der Wagen nach einer Platzrunde heil und unversehrt am Start und Ziel steht und ich die Augenbinde abnehmen kann. Simone Schlack kann das nicht, denn die 46-Jährige ist von Geburt an blind. Trotzdem hat ihr das Autofahren Riesenspaß gemacht. „Ein wunderbares Gefühl. Das würde ich jederzeit wieder machen.“ Angst? „Überhaupt nicht. Ich kann nichts sehen, sondern muss mich auf den Fahrlehrer verlassen. Schwierig ist nur: Wie weit ist, ein bisschen nach rechts‘ oder ein Stück nach links‘?“ Und genau darum ging es am Sonnabendnachmittag auf der Übungsstrecke des  Peenemünder Motorsport- und Verkehrsschulungsvereins auf dem Flugplatz : die Akzeptanz und das Verständnis zwischen Behinderten und „Gesunden“ zu fördern. Zum dritten Mal hatte der Verein Sehbehinderte eingeladen, um ihnen zu bieten, was für andere Menschen selbstverständlich, Sehbehinderten aber versagt ist. „Das ist für uns ein Stück Leben mehr“, sagte Ina Löschke. Die  Wolgasterin, die selbst stark sehbehindert ist, hatte vor drei Jahren den Anstoß zu der Aktion gegeben, weil sich eine blinde Freundin so sehr eine Tour auf einem Motorrad gewünscht hatte. Bei Jürgen Quandt, dem Vereinsvorsitzenden des PMV, fand sie damals nicht nur Gehör, sondern auch jemanden, der die nötigen Kontakte hatte. In diesem Jahr stellten bereits acht Fahrschulen aus Wolgast, Zinnowitz Trassenheide, Anklam, Züssow, Koserow und Ahlbeck unentgeltlich Fahrzeuge und Fahrlehrer zur Verfügung, während Vereinsmitglieder auf ihren privaten Maschinen zu Motorradfahrten einluden und hilfreich zur Seite standen, damit die 45 Sehbehinderten im Blindflug Runde um Runde drehen konnten. „Das ist unser Beitrag zu mehr gegenseitiger Akzeptanz im Straßenverkehr“, meinte Quandt (†) trocken. 
Übrigens: Die Sehbehinderten stellten sich am Steuer bemerkenswert geschickt an. Einer brachte es auf der langen Geraden sogar auf satte 154 km/h. Gestandene Kraftfahrer hingegen, die mit einer Augenbinde fuhren, atmeten am Ziel erleichtert auf: „Echt krass. Schlimmer als Fahrschule“, stöhnte einer.



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