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Ostsee Zeitung vom 25.07.2005

Glücksmomente auf dem Krad

 

Für Blinde und stark Sehbehinderte wurde in Peenemünde ein Traum wahr. Beim Auto- und Motorradfahren spürten sie den Temporausch.

„Es ist einfach nur Wahnsinn, auf solch einer Maschine zu sitzen und sich mit gehörig Tempo über die Rennstrecke fahren zu lassen.“ Ina Löschke (37) aus Wolgast konnte es genießen, am Sonnabendnachmittag auf dem Sozius der Suzuki von Jürgen Quandt (†) Platz zu nehmen und zu starten. Nur noch mit einem Restsehvermögen ausgestattet ist es für die Telefonistin der Kreisverwaltung ein Stück Genugtuung, dass ein solches Fahren für Menschen mit Handicap beim Peenemünder Motorsport- und Verkehrsschulungsverein nun schon im dritten Jahr – und vor allem völlig ohne Probleme – über die Bühne geht. „Gerade, weil uns Behinderten ansonsten überall im gesellschaftlichen, besonders aber im Arbeitsleben Steine in den Weg gelegt werden“, merkte sie auch aus eigener Erfahrung kritisch an.
Bei Jürgen Quandt (†), seinen Vereinsmitstreitern und acht Fahrschulen, die sich am Aktionstag kostenlos (!) beteiligten, ist das nicht der Fall. „Wir tun hiermit einfach was Gutes“, wehrt Quandt (†) bescheiden ab und verweist auf die Hilfe vieler, sowie die finanzielle Unterstützung aus Schwerin. Doch Ina Löschke bleibt bei ihrem ganz großen Dankeschön an die Motorsportler: „Was sie hier für uns veranstalten, ist beileibe keine Selbstverständlichkeit.“ Unterstützung findet sie bei ihrer Freundin Angela Ganschow, die gerade auf dem Sozius von Fred Niebuhr die Teststrecke absolviert hat. Sie ist ebenso begeistert wie alle der insgesamt 44 gehandicapten Teilnehmer, die entweder am Steuer eines Fahrschul-Pkw oder auf einem Zweirad den Temporausch und das Kribbeln im Bauch oder das eigenhändige Steuern eines Autos erleben durften und schließlich stolz waren, den Mut dazu aufgebracht zu haben.
Engagierte Leute der Kreisverkehrswacht (OVP), Polizeibeamte und die Landrätin waren mit vor Ort, um zu erleben, „wie wieder ein Traum vieler ein Stück weit wahr wird“, fand auch Barbara Syrbe Worte der Anerkennung für die Organisatoren. Ihrer Einladung waren sogar Motorsportfreaks aus entfernteren Bundesländern wie Sachsen und Hessen gefolgt. Die meisten verbinden ihre Teilnahme an der Aktion mit ein paar Urlaubstagen auf Usedom. Und so stehen auf dem Gelände des Vereins nicht nur Rennmaschinen, sondern auch Zelte und Wohnmobile. Man glaubt, einen Hauch von Sachsenring-Atmosphäre zu empfinden, überall wird geschraubt, montiert und entspannt gefachsimpelt.
Für Ina Löschke, Ehemann Dirk und Sohn Johannes ist es ein tolles Wochenende. „Mal was ganz anderes“ resümiert die junge Frau, die sonst leidenschaftlich für Hörbücher schwärmt. „ Kurt Tucholsky ist eindeutig mein Lieblingsautor.“ Vorgelesen werde aber auch täglich die Zeitung. „Ich muss doch über alles gut im Bilde sein “, lacht sie.

Gemeinsamkeit macht stark
Bevor die Motoren röhrten, die Startampel auf Grün schaltete und die Testfahrzeuge auf die Strecke gingen, sagte Ina Löschke einen Satz, der ihr den tosenden Applaus der gesunden und gehandicapten Teilnehmer
einbrachte: „Auch aus Steinen, die uns in den Weg gelegt werden, lässt sich etwas Hübsches bauen.“ Nicht Verbitterung und Enttäuschung über den Umgang der Gesellschaft mit Behinderten spricht daraus, sondern der Wille, sich nicht unterkriegen zu lassen.
Und noch etwas machte die Aktion vom Samstag offenbar: Gemeinsam sind wir stark. Wenn sich außerdem noch Partner finden, die unentgeltlich helfen, ist (fast) alles möglich. Hoffentlich wird dieses Testfahren zur Tradition.



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