Schrift-Größe:

 

Logo von www.fahrerlebnis.info

Access Keypad

Alt+0
Startseite.
Alt+3
Vorherige Seite.
Alt+6
Inhaltsverzeichnis / Sitemap.
Alt+7
Suchfunktion.
Alt+8
Direkt zum Inhalt.
Alt+9
Kontaktseite.
.

Ostsee Zeitung vom 19.09.2012

Wo Blinde Auto und Motorrad fahren

 

Seit 2003 ermöglicht ein Motorsportverein in Peenemünde einen „Blindentag“.

 

Man nehme folgende Teile, um eine Geschichte mit einem schier unglaublichen Beginn und einem zutiefst anrührenden Ausgang zu erzählen: zwei Freundinnen, die eine fast blind, die andere stark sehbehindert, die sich nach längerer Zeit in Halle bei einem Lehrgang für Telefonistinnen wiederbegegnen; einen dabei geäußerten Wunsch; dazu Mitglieder eines Vereins, die sich von der offensichtlichen Unmöglichkeit einer an sie herangetragenen Bitte nicht abschrecken ließen.

Hier die Fakten: Die Wolgasterin Ina Löschke staunte nicht schlecht, als ihr ihre Freundin Angela Ganschow offenbarte, dass einer ihrer sehnlichsten Wünsche sei, einmal auf einem Motorrad mitfahren zu dürfen. Nach der ersten Überraschung erinnerte sich Ina Löschke, eine Meldung in der Presse über den schon seit einigen Jahren aktiven Peenemünder Motorsportverein gelesen zu haben. Prompt gab sie der Freundin den Rat, doch mal zu Ostern auf den Peenemünder Flugplatz zu kommen, wo der Verein regelmäßig seine Veranstaltungen abhielt. Dort angekommen, war die Überraschung Angela Ganschows riesengroß, als neben ihr ein Motorrad stoppte, ihr ein Helm aufgesetzt und sie aufgefordert wurde, hinter dem Fahrer Platz zu nehmen.

Dem war vorausgegangen, dass Ina Löschke und ihr Mann Dirk das ungewöhnliche Anliegen an den damaligen Vereinsvorsitzenden Jürgen Quandt (†) herangetragen hatten und der, ebenso wie die anderen Mitglieder, nach nur kurzem Zögern zusagte, der Hallenserin eine Mitfahrt auf einem Krad zu ermöglichen. Doch wohl keiner der damals Beteiligten ahnte, was sich aus dieser spontanen Aktion entwickeln würde.

Ein Jahr später, es war 2004, hatten sich schon 15 Blinde und Sehbehinderte an der Peenemünder Piste versammelt, um es Angela Ganschow und Ina Löschke gleichzutun. Diesem noch recht bescheidenen Anfang war die Suche nach Helfern vorausgegangen, denn die Peenemünder Motorsportler erkannten schnell, dass sie allein ein solches Unternehmen nicht würden bewältigen können. Der einstige Verkehrspolizist und spätere Verkehrslehrer bei der Polizei, Jürgen Quandt (†), profitierte von seinen Kontakten auch zu vielen Fahrschulen in der hiesigen Region. So standen bei der Premiere im Sommer 2003 schon sechs Fahrschulautos bereit, die allerdings ausreichten, die relativ wenigen Interessierten aufzunehmen. Wie schnell sich dann der Peenemünder „Blindentag“ herumsprach, zeigt folgendes Beispiel: Als René Cornelius, Inhaber einer Greifswalder Fahrschule, von einem Vater nach der Möglichkeit gefragt wurde, seiner blinden Tochter zu ihrem 18. Geburtstag eine Fahrt am Lenkrad eines Pkw zu schenken, da war das für Cornelius schon längst kein utopisches Ansinnen mehr: Hatte er sich doch von Anfang an in Peenemünde engagiert. Bis heute hat der Peenemünder „Blindentag“ längst alle anfänglichen Grenzen gesprengt, gehören zu den Verbündeten des Motorsportvereins längst so gut wie alle Fahrschulen aus der hiesigen Region, aber auch die Polizei und viele andere Mitstreiter.

Zwischen 80 und 90 Blinde und Sehbehinderte aus vielen Teilen Deutschlands kommen im Sommer nach Peenemünde, um das für sie ansonsten kaum mögliche Gefühl zu erleben, am Lenkrad eines Pkw oder auf dem Soziussitz eines Motorrades einige Runden zu drehen.

Zumindest in unserem Land, in Mecklenburg-Vorpommern, ist diese Veranstaltung die einzige ihrer Art, und auch in anderen Bundesländern ist Ähnliches selten zu finden. Umso höher ist es zu werten, dass in diesem Jahr dem Peenemünder Verein als Dank für sein vor mehr als zehn Jahren begründetes Engagement für die Blinden und Sehbehinderten von diesen ein „Goldenes Lenkrad“, gestaltet von Dirk Löschke, überreicht wurde.



.