Usedom Kurier vom 14.08.2006

Wenn Blinde den Sehenden davon fahren

'Gut so, prima!' Fahrlehrer Klaus Dittrich ist voll des Lobes über die 20-jährige Doreen Grommelt, die seinen BMW gekonnt über den 2,2 km Parcours auf dem Peenemünder Flugplatz steuert. Kuppeln, schalten, Gas geben und den Wagen in die Kurven hineintreiben: Die junge Greifswalderin fährt so sicher, als hätte sie den Führerschein schon jahrelang in der Tasche. Was ihr keiner ansieht: Sie besitzt gerade mal ein Sehvermögen von zehn Prozent - und wohl niemals die Chance, einen Führerschein zu machen. Diese Erkenntnis war 'ziemlich schlimm', gesteht die junge Greifswalderin. Doch umso mehr Spaß bereitete ihr am Sonnabend der Aktionstag für Blinde und Sehschwache, zu dem der Peenemünder Motorsport- und Verkehrsschulungsverein gemeinsam mit der ostvorpommerschen  Verkehrswacht, dem Kreis und der Polizei eingeladen hatte.

'Es ist geil, es gibt nichts Besseres', freut sich die 20-Jährige. Gemeinsam mit rund 60 Sehbehinderten nutzte sie das Angebot von insgesamt neun Fahrschulen aus dem ganzen Kreis, sowohl Auto zu fahren als auch als Sozius auf schweren Motorrädern über den Flugplatz zu rasen. Doch den Behinderten eine Freude zu bereiten, war nur ein Ziel der Veranstalter, wie Jürgen Quandt (†) vom PMV - zugleich Verkehrslehrer bei der Polizei betonte: Denn ausdrücklich zum Mitmachen eingeladen waren auch die normal sehenden Begleiter der Sehbehinderten. Auch sie durften fahren, allerdings gehandicapt durch Augenbinden: Die plötzliche Dunkelheit machte sie am Steuer meist hektischer und hilfloser als die Behinderten. Und genau das war das Ziel der Veranstalter: 'Wir wollen Verständnis und Akzeptanz für die Behinderten wecken', unterstrich Jürgen Quandt (†). Unterdessen zeigte sich Fahrlehrer Dittrich vom Fahrgefühl Doreen Grommelts fasziniert: `Das sollten meine Fahrschüler mal sehen'.